Menschenrechte sind unverhandelbar: Asylrecht verteidigen - Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien stoppen!

An die Parteispitze von Bündnis 90/Die Grünen.

Wir sehen uns gezwungen, unsere Enttäuschung und unsere Ablehnung gegenüber dem
eingeschlagenen Kurs in der Migrationspolitik auszudrücken: angefangen beim
neuen gemeinsamen europäischen Asylsystem, das einen gravierenden Rückschlag für
eine humane Asylpolitik darstellt; dem Rückführungsverbesserungsgesetz, die
Ausweitung der “Sicheren Herkunftsstaaten”, über die Forderungen nach
Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebieten, bis zu den geforderten
Leistungskürzungen für Menschen, die ausreisepflichtig sind.

Statt Humanität und Menschenrechte in den Vordergrund zu stellen, setzt
Deutschland verstärkt auf Abschottung, auf Zäune und sogar auf Abkommen mit
autoritären Regimen, die die Würde von Schutzsuchenden mit Füßen treten. Das
steht im Widerspruch zu den Werten der Menschenrechte, die wir als Partei stets
hochgehalten haben.

Nach dem schrecklichen islamistischen Terroranschlag in Solingen stehen wir
erneut vor einer Asylrechtsverschärfung: Abschiebungen nach Afghanistan und
Syrien werden als Allheilmittel im Kampf gegen den Islamismus propagiert. Wir
möchten in Erinnerung rufen, dass viele Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan
genau vor dieser islamistischen Gewalt geflohen sind. Es geht hier nicht darum,
Straftäter, sondern den Rechtsstaat und die universellen Menschenrechte zu
verteidigen. Wir lehnen die Zusammenarbeit mit Diktatoren und Islamisten
entschieden ab.

Wir müssen den Islamismus entschlossen mit allen Mitteln des Rechtsstaats
bekämpfen. Der eingeschlagene Kurs hingegen bekämpft Geflüchtete und stärkt
letztlich die Islamisten. Wir haben als Partei selbst in unserem
Grundsatzprogramm festgelegt, dass “asylrechtliche Maßnahmen keine Alternative
zu strafrechtlichen Verurteilungen und deren Vollzug [sind]”. Das Gegenteil wird
gerade realpolitisch umgesetzt.

Die Situation in Afghanistan ist weiterhin prekär. Die Taliban, die seit ihrer
Machtergreifung systematisch insbesondere die Rechte von Frauen und Minderheiten
unterdrücken, sind kein verlässlicher Partner. Die Genfer Flüchtlingskonvention
und die Europäische Menschenrechtskonvention verbieten die Rückführung in
Länder, in denen Menschen Gefahr für Leib und Leben droht.

Auch die geplanten Abschiebungen nach Syrien werfen erhebliche rechtliche und
moralische Fragen auf. In Syrien herrscht nach wie vor eine brutale Diktatur,
die durch Krieg, Gewalt und staatliche Repression gezeichnet ist. Abschiebungen
in ein Land, das nachweislich Folter und außergerichtliche Hinrichtungen gegen
Rückkehrende einsetzt, verstoßen gegen das Non-Refoulement-Prinzip der Genfer
Flüchtlingskonvention. Zudem lehnen wir Abschiebungen über Stellvertreter oder
Proxy-Länder entschieden ab.

Die Abschiebungen sind ein Dammbruch, den wir verurteilen und nicht mittragen.

Zusätzlich zu diesen humanitären Bedenken müssen wir auch die
Verfassungsmäßigkeit der geplanten Kürzungen von Sozialleistungen für
ausreisepflichtige Menschen ansprechen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits
im Urteil von 2012 (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) entschieden, dass das
Existenzminimum unantastbar ist, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Das bedeutet,
dass jeder Mensch, der sich in Deutschland aufhält, ein Recht auf eine
menschenwürdige Grundversorgung hat.

Wir als Parteibasis sind besonders alarmiert, weil wir den Rechtsruck nicht nur
in der Gesellschaft spüren, sondern auch zusehen müssen, wie unsere eigene
Partei dem Diskurs folgt, der sich gegen die Sicherheit von Menschen wendet,
statt ihn zu brechen.

Denn eins ist klar: Wer rechte Narrative übernimmt, spielt damit nur den
antidemokratischen und menschenfeindlichen Parteien in die Karten. Es ist unsere
Aufgabe stattdessen, konkrete, zukunftsfähige Lösungen zu bieten, die den Werten
von Gerechtigkeit, Menschenwürde und Solidarität gerecht werden.

Wir fordern von euch, als Teil der Bundesregierung, auf Menschenrechte zu
beharren: Zunächst muss es einen sofortigen Stopp der Abschiebungen nach
Afghanistan und Syrien geben.

Darüber hinaus fordern wir eine Rückkehr zu einer Asylpolitik, die auf Schutz
und Integration setzt, anstatt auf Abschottung und Kriminalisierung. Eine humane
und zukunftsorientierte Flüchtlingspolitik muss den Menschen, die in Deutschland
Schutz suchen, echte Perspektiven bieten.

Dazu gehört auch, das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan weiterzuführen und
effizienter zu gestalten. Integration statt Isolation muss unser politisches
Ziel sein, nicht das Gegenteil. Dazu gehört auch, finanzielle Mittel für
Integration nicht zu kürzen.

Nicht zuletzt erwarten wir ein klares Bekenntnis zur Wahrung der Menschenrechte
und des Grundgesetzes. Die geplanten Kürzungen der Sozialleistungen für
ausreisepflichtige Personen sind nicht nur verfassungswidrig – sie untergraben
die Grundidee einer menschenwürdigen Behandlung.

Wir als Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen, als Wählende und als Menschen, die
sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen, erwarten mehr. Wir erwarten,
dass die Grundsätze, auf denen unsere Partei basiert, in der Regierungsarbeit
konsequent verteidigt werden.

Mit entschlossenen Grüßen